„Alu? Kapriziös, aber beherrschbar“
Aluminium anstelle von Kupfer als Kabelmaterial ist oft eine probate Alternative. Worauf es zu achten gilt und welche Einsatzmöglichkeiten sich bieten, diskutieren Thomas Blessing und Thomas Windisch von Carl Elektro-Anlagen in Ebersbach an der Fils mit HELUKABEL-Experte Uwe Schenk.
Meine Herren, warum reden wir denn überhaupt über Aluminium als Kabelmaterial?
Thomas Blessing: Aluminiumkabel werden oft verwendet, um Kosten und Gewicht gegenüber Kupfer zu sparen – auch in unserem Kerngeschäft rund um Energieanlagen, Transformatoren und USV-Lösungen; also Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung. Alu wiegt nur gut die Hälfte von Kupfer und kostet lediglich ein Drittel. Und während der Rohstoffpreis von Alu relativ konstant ist, schwankt der Einstandspreis bei Kupfer massiv und erschwert eine sichere Kalkulation. Bei unseren Anlagen und Stromversorgungen setzen wir deshalb immer wieder auf Alukabel. |
Uwe Schenk: Da befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Aluminium ist bei Überlandleitungen und in der Infrastrukturverkabelung ja längst ein etabliertes Material, es wird in Windkraftanlagen verwendet und im Zeichen des Leichtbaus erobert es neue Felder in der Flugzeug- und Automobilbranche. Und Sie setzen Alukabel in der Leistungsverkabelung von Trafostationen und USV-Anlagen ein? |
Thomas Blessing: Ja, allerdings verlangen nur wenige Ausschreibungen in unserem Kerngeschäft explizit Alukabel. Das liegt aber einfach daran, dass es kaum jemand interessiert, wie die Energie zum Hauptverteiler kommt. Steht der Kunde unter Kostendruck, ist ein Angebot mit Aluverkabelung aber immer eine Variante. Das sehen mittlerweile auch einige Transformatorenhersteller so. |
Thomas Windisch: Bei Kosten denken viele nur an den Kabelpreis. Das ist aber zu kurz gegriffen. Nehmen Sie zum Beispiel an der Decke installierte Trassen für Leistungskabel quer durch Werkshallen. Werden diese mit Alukabel geplant, reduziert sich die Auflast um 40 bis 50 Prozent. Dementsprechend kann die Tragekonstruktion einfacher und damit günstiger ausgelegt werden. |
Thomas Blessing: Auch für den Monteur ist weniger Gewicht eine Erleichterung. Ein Meter Kupferleitung wiegt rund drei Kilogramm, da ist die Halbierung des Gewichts schon eine feine Sache. Beispielsweise wenn der Monteur für uns Kabel im Doppelbodenbereich verlegt. |
Kupfer- oder Alukabel – was wird in diese Hauptverteilung münden? Thomas Windisch und Thomas Blessing mit Uwe Schenk (von links) in der Fertigung von Carl Elektro-Anlagen. (© HELUKABEL / KD Busch)
Die Redaktion im Gespräch mit Thomas Windisch, Thomas Blessing und Uwe Schenk (von links). (© HELUKABEL / KD Busch)
Treten wir doch mal aus der Sonnenseite. Welche Nachteile hat Aluminium?
Thomas Windisch: Die elektrische Leitfähigkeit von Aluminium ist aufs Volumen bezogen 35 Prozent niedriger als die von Kupfer. Deshalb benötigt man größere Querschnitte bei gleicher Leistungsübertragung. Ein weiteres Manko ist, dass Aluminium an der Oberfläche sehr leicht mit Sauerstoff reagiert und eine widerstandsfähige Oxidschicht bildet. Die verhindert zwar weitere Korrosion und macht das Material äußerst haltbar, vermindert aber die Leitfähigkeit und erschwert das Kontaktieren. |
Uwe Schenk: Zudem muss dem sogenannten Kriechverhalten von Aluminium Rechnung getragen werden. Unter Druck neigt Alu zum Langzeitfließen. Zunächst feste Verbindungen verlieren mit der Zeit an Kraft. In den ostdeutschen Bundesländern wurden einst Alukabel mit simplen Klemmen kontaktiert. Völlig unzureichend. Dort gibt es deshalb fast schon eine kollektive Erinnerung an die Spätfolgen. |
Thomas Windisch: Das verwundert nicht, denn wird ein Alukabel unsachgemäß angeschlossen, wird es schnell brenzlig. Insbesondere bei der Kontaktierung mit edleren Metallen wie Kupfer oder Messing. |
Uwe Schenk: Das ist absolut zutreffend. Hier kann eine elektrochemische Reaktion entstehen, die etwa durch Kondenswasser angeregt wird. Der dabei entstehende Strom zersetzt Aluminium, was als blühende Oxidationsstelle sichtbar wird. So entstehen höhere Übergangswiderstände. Fatale Folgen sind massive Temperaturerhöhungen und gelegentlich sogar Brandgefahr. |
Thomas Blessing: Das stimmt, schreckt uns aber nicht ab. Das Material erfordert halt eine extrem hohe Sorgfalt in der Verarbeitung. Man muss die Monteure für diese Eigenheiten sensibilisieren und qualifizieren. In unserer Praxis zeigt sich Aluminium kapriziös, aber durchaus beherrschbar. Ich begrüße es auch, dass HELUKABEL einen hohen Aufwand für die Zertifizierung betreibt, obwohl die bislang nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. |
Uwe Schenk: Dass wir auf Nummer sicher gehen, halte ich für selbstverständlich. Schließlich sind Kabel – wie die Firma Carl auf ihrer Website treffend schreibt – „die Lebensadern“ eines Stromversorgungssystems. Durch die Zertifizierung nach IEC 61238-1 bieten wir dem Kunden mit aufwendigen und teuren Tests ein hohes Sicherheitsniveau. Dabei werden Kabel und Verbinder mit 1.000 Zyklen unter Last regelrecht malträtiert. Entscheidend in diesem Test ist der Kurzschluss nach 200 Zyklen – der simuliert den Alterungsprozess. |
Oxidation, Fließneigung, eine niedrigere Leitfähigkeit und anspruchsvolle Kontaktierung: Wie geht man in der Praxis damit um?
Thomas Windisch: Dass eine Leiterbahn aus Aluminium einen etwa 67 Prozent größeren Querschnitt benötigt als eine Leiterbahn aus Kupfer kann bei Neukonstruktionen meist berücksichtigt werden, denn der Platzbedarf lässt sich ja vorhersehen und einplanen. In der Verbindungstechnik setzen wir auf bewährte Komponenten. |
Thomas Blessing: So nutzen wir für die Kontaktierung von Aluminium mit Kupferperipherie den bimetallischen Al/Cu-Kabelschuh von HELUKABEL. Weil der voll gekapselt ist, dringen Flüssigkeiten nicht ein, Kriechstrecken werden so unmöglich. Mich überzeugt jedenfalls die Lösung von HELUKABEL für die Verbindung von Alukabeln. |
Uwe Schenk: Wie schon gesagt, erschwert die Oxidschicht das Kontaktieren. Deshalb gilt es, sie zu durchbrechen. Das geschieht zunächst durch das Bürsten der blanken Leiterenden vor der Kontaktierung. Und während des Crimpvorgangs lösen eingelagerte Korund-Partikel in Verbindung mit einem hohen Pressdruck einen Schmirgeleffekt aus, der die Oxidschicht des Aluminiums aufreißt und so eine einwandfreie elektrische Verbindung ermöglicht. Gleichzeitig verhindert das ab Werk eingebrachte Kontaktfett das Eindringen von Feuchtigkeit und Sauerstoff und vermeidet so eine erneute Korrosion. |
Thomas Windisch: Ich bin ja auch ein Freund der Pressverbindungen. Aber der beschriebene Ansatz funktioniert nur bei massiven Leitern. Welche Lösung eignet sich für einen feindrahtigen Leiteraufbau wie bei der POWERLINE-ALU-Serie? |
Uwe Schenk: Hier empfehlen wir aufgrund der größeren oxidierenden Oberfläche des Leiters die zertifizierte C8-Crimpung. Deren Kontur dringt sehr tief in das Litzenbündel ein, reißt die Oberfläche der einzelnen Litzen gleichmäßig auf und ermöglicht damit die optimale Kontaktierung auch im Bündelkern. Mit einem Füllgrad von 95 Prozent kompensiert die C8-Crimpung den Fließprozess. |
Thomas Blessing: Im Rahmen unserer Wartungsverträge haben wir bei jedem Objekt auch die Kontaktstellen auf der Checkliste. Sitzen die Verbindungen, so ist Aluverkabelung immer eine sichere Sache. |