Mehr Ausbau und weniger Bürokratie
Erneuerbare Energien: Experten diskutieren die Trends und Herausforderungen
Der flächendeckende Umstieg auf erneuerbare Energiequellen ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Auf diesem Weg gilt es jedoch zahlreiche technische, politische und gesellschaftliche Hürden zu überwinden. Wie diese aussehen, welche Lösungen dafür benötigt werden, und warum erneuerbare Energien trotzdem unverzichtbar für unsere Zukunft sind – darüber haben wir in einer hochkarätigen Expertenrunde ausführlich gesprochen.
Sonne, Wind, Wasser, Biomasse – erneuerbare Energie stammt aus ganz unterschiedlichen Quellen. Welche Vor- und Nachteile bieten die einzelnen Energieträger, und wie lassen sie sich am besten für die Energieerzeugung nutzen?
Andreas Kulke: Solar- und Windenergie bieten für uns derzeit das größte Potenzial. Allerdings sind sie in der Erzeugung sehr volatil – das heißt, die produzierte Menge schwankt je nach Tages- oder Jahreszeit. Um diese Energie möglichst effizient zu nutzen, muss sie daher zwischengespeichert werden, etwa mithilfe von Batteriespeichern oder in Pumpspeicherkraftwerken, wie sie zur Zeit unter anderem in den Alpen gebaut werden. Biomasse hingegen ist konstant verfügbar; in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) kann man daraus Strom und Wärme erzeugen. Das ist besonders attraktiv, wenn man auch beides gleichzeitig nutzen kann, zum Beispiel in der Gastronomie und Hotellerie, in der Landwirtschaft oder in Schwimmbädern. Generell ist die Speicherbarkeit von erneuerbaren Energien der Schlüssel, um den Nutzungsgrad und die Unabhängigkeit von fossilen Quellen zu erhöhen.
Hendrik Becker: Ich sehe Biomasse als ideale Ergänzung zu Wind- und Solarenergie. Biogasanlagen sind flexibel, vielseitig und nachhaltig – in Verbindung mit einem BHKW, zur Gaseinspeisung oder zur Treibstofferzeugung. Zudem lässt sich Energie in Form von Biomasse saisonal speichern: im Sommer, wenn viel Wind und Sonne zur Verfügung stehen, lagert man sie ein und nutzt sie im Winter, wenn die anderen Träger nicht genügend Energie liefern. Auch die großen Erdgaskavernen sind für die Speicherung von Biogas geeignet. Einziger Nachteil: Jede Art von Speicherung kostet auch Geld.
Jürgen Scheurer: Alle erneuerbaren Energieformen haben ihren Wert. Auch Holzenergie und Wasserkraft sollte man da nicht außen vor lassen, auch wenn diese in der öffentlichen Debatte gerade keine so große Rolle spielen. Die einzelnen Energieträger dürfen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern müssen zusammen gedacht und ausgebaut werden – und das möglichst schnell und massiv.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in Deutschland sehr abhängig von politischen Entscheidungen. Welche Auswirkungen hat das auf den Markt?
Becker: Der Markt wird enorm durch Förderungen beeinflusst. Bietet die Politik finanzielle Anreize für den Ausbau eines bestimmten Energieträgers, steigt die Nachfrage in der Regel stark an. Laufen solche Förderungen aus, geht sie allerdings auch genauso schnell wieder zurück. Herstellern und Installateuren brechen dadurch die Aufträge weg und Arbeitsplätze geraten in Gefahr.
Scheurer: Ein gutes Beispiel hierfür war das Förderprogramm des Verkehrsministeriums für Photovoltaik-Anlagen im vergangenen Jahr. Der Fördertopf umfasste 300 Millionen Euro – und die waren innerhalb von vier Stunden aufgebraucht. Viele Aufträge wurden verschoben, um diese finanzielle Unterstützung abzuwarten.
Das war ein großes Problem für die Unternehmen, die bereits Personal aufgebaut und ausgebildet und ihre Lager gefüllt hatten. Solche Maßnahmen sind zwar gut gemeint, häufig aber zu kurzfristig gedacht.
Kulke: In der E-Mobilität war es ähnlich. In den Jahren 2021 und 2022 wurde der Bau von Ladestationen finanziell gefördert, die Auftragslage war entsprechend gut. Dann fiel die Förderung weg, und die Nachfrage brach zusammen. Das hat einige Hersteller bis in die Insolvenz getrieben.
Wie können Unternehmen, die in der Branche tätig sind, bei diesen hohen Nachfrageschwankungen überhaupt vernünftig planen?
Der Ausbau erneuerbarer Energien muss beschleunigt und vereinfacht werden – da waren sich die Experten einig.
Anton Wissing: Die Planbarkeit ist tatsächlich eine immense Herausforderung. Unser Unternehmen B&W Energy etwa musste zwischen 2012 und 2014, als überall bei den erneuerbaren Energien die Umsätze einbrachen, von 150 auf 40 Mitarbeiter abbauen – das kann nicht der richtige Weg sein. Insgesamt wurden in der Branche in dieser Zeit 80.000 Jobs vernichtet, während beim Erhalt fossiler Energien Arbeitsplätze immer als Argument herangezogen werden. Da wird meiner Meinung nach oft mit zweierlei Maß gemessen.
Uwe Schenk: Auch für uns als Zulieferer ist die fehlende Planungssicherheit nicht immer einfach. Wir haben bei unseren Kabeln und Leitungen zwar einen hohen Lagerbestand, um die Verfügbarkeit sicherzustellen. Es ist für uns aber sehr schwer, die konkrete Nachfrage vorherzusehen.
Ali Gökdogan: In der Photovoltaik ist die Nachfrage momentan eher gering, weil die Lager der Hersteller und Installateure gefüllt sind. Wir rechnen aber mit steigender Nachfrage, denn viele Genehmigungsverfahren großer Solarparks laufen derzeit an.
Wissing: Klar ist: Wir brauchen mehr Zuverlässigkeit von der Politik. Da kommen gerade viele positive Signale, es muss aber noch deutlich mehr passieren. Und was ist, wenn bei der nächsten Wahl wieder eine andere politische Richtung eingeschlagen wird? Von diesen Entscheidungen ist unsere Branche definitiv zu abhängig.
Neben den politischen Unwägbarkeiten gelten auch die bürokratischen Hürden beim Ausbau erneuerbarer Energien als hoch. Welche Herausforderungen sehen Sie hier, und wie ließen sich diese Ihrer Meinung nach lösen?
Scheurer: Die Unternehmen wünschen sich hauptsächlich Bürokratieabbau, um mehr Planungssicherheit zu haben. Anlagenzertifizierungen zum Beispiel dauern viel zu lange, aber auch die Genehmigungen durch die Netzbetreiber und der eigentliche Anschluss. Es gibt in Deutschland rund 800 verschiedene Netzbetreiber, und jeder davon hat eigene Anmeldeformulare und Online-Plattformen. Da muss mehr vereinheitlicht und vereinfacht werden.
Becker: Auch Heizungsbauer haben ihre Schwierigkeiten mit der Bürokratie. Die Vorschriften für Ölheizungen sind definiert und bekannt, ein Installateur kann innerhalb von Wochen einen Öltank für einen Privathaushalt planen und einbauen. Bei einer Wärmepumpe oder Geothermie muss man hingegen in ein Antragsverfahren gehen, das Monate dauern kann. Das macht es für Installateure natürlich unattraktiv.
Bei Biogasanlagen dauert der Netzanschluss bis zu zwei Jahre. Das liegt auch daran, dass die Netzbetreiber zunächst Angst vor Störungen und vor Wettbewerb hatten, deshalb wurde auch die Einspeisung von Wasserstoff erschwert. Heute ist man zum Glück weiter, was das angeht. Die alten Regeln abzuschaffen ist jedoch langwierig und schwer.
Wissing: Genauso kompliziert ist es, eine Kombination aus Wind- und Solarpark zu realisieren. Dies hat eigentlich den großen Vorteil, dass man bestehende Infrastruktur doppelt nutzen kann. Oft scheitern solche Vorhaben aber an der Genehmigung, weil zum Beispiel Windvorrangzonen nicht mit Solaranlagen bebaut werden dürfen. Das Verständnis, dass beides zusammen funktioniert, fehlt hier leider noch.
Eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende spielt die Netzinfrastruktur. Wie ist es um diese aktuell bestellt, und was muss sich für die Zukunft noch ändern?
Gökdogan: Die Netzinfrastruktur ist in Deutschland sehr bürokratisch und an manchen Stellen auch sehr wacklig aufgestellt. Bis sie stabil genug ist, dass neue Solarprojekte schnell und unkompliziert genehmigt werden und ans Netz gehen können, wird es meiner Meinung nach noch eine Weile dauern. Hinzu kommt, dass manche Bauteile nur schwer verfügbar sind, weshalb viele Anlagen nicht schnell fertiggestellt werden können.
Wissing: Ich sehe unter anderem ein Problem beim Bau von Trafostationen. Diese müssen jedes Mal aufs Neue von Grund auf geplant und ausgelegt werden, da jeder Netzbetreiber eigene Anforderungen hat. Das verursacht hohe Kosten. Warum gibt es hier keine einheitlichen Standards?
Becker: Der Netzausbau ist für alle erneuerbaren Energien der Flaschenhals. Da dieses Thema so komplex ist, ist es leider auch anfällig für Lobbyarbeit. Zum Beispiel werden beim Kraftwerksausbau neue Gaskraftwerke, die für die Nutzung von Wasserstoff geeignet sind, als erstes in die Ausschreibung geschickt und gebaut. Zeitgleich gehen Biogasanlagen vom Netz, die im Vergleich deutlich flexibler und günstiger sind. Das Potenzial dieser Technologie, die sich ja auch stetig weiterentwickelt, wird meines Erachtens von der Politik zu wenig berücksichtigt.
Scheurer: Biogasanlagen sind zudem eine attraktive Lösung für lokale Wärmenetze und können etwa auf dem Land Öl- und Gasheizungen ablösen. Große Netzbetreiber haben in der Regel kein Interesse daran, Wärmenetze im ländlichen Raum aufzubauen – da könnten lokale Initiativen gut Abhilfe schaffen.
Becker: Absolut richtig. Man muss die Energiewende ja auch gesamtgesellschaftlich betrachten: Erneuerbare Energie wird meist auf dem Land erzeugt und im urbanen Raum, also in Städten und von der Industrie, verbraucht. Der ländliche Raum muss deshalb ein Mehrfaches seines Eigenverbrauchs produzieren, um die Städte mitzuversorgen. Insgesamt muss das Stromnetz deutlich dezentraler werden.
Wissing: Die Energieerzeugung auf dem Land hat ja für die Kommunen auch einen wirtschaftlichen Nutzen. Durch den Bau von Bürgerwindparks etwa entstehen lokale Strukturen, die gut für die gesamte Gemeinschaft sind.
Deutschland will seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent reduzieren und bis 2045 komplett treibhausgasneutral werden. Sind wir diesbezüglich auf einem guten Weg?
Technische, politische und gesellschaftliche Herausforderungen der Energiewende kamen beim HELUKABEL Branchentalk zur Sprache.
Scheurer: Das würde ich so nicht sagen. Das Schwierige ist ja: Deutschland hat Kernkraftwerke abgeschaltet und den Kohleausstieg beschlossen, ohne einen adäquaten Ersatz dafür bereit zu haben. Aktuelle Studien zeigen, dass die Klimaziele schwer zu erreichen sind. Bei uns in Baden-Württemberg müssten wir den Ausbau der Photovoltaik versiebenfachen – dabei sind wir hier schon gut dabei. Noch dramatischer sieht es bei der Windenergie aus: Hier müssten wir 1000 Anlagen in fünf Jahren bauen, bislang sind es gerade einmal 50.
Wissing: Eines unserer Ziele muss deshalb auch sein, unseren Energieverbrauch deutlich zu reduzieren. Hier sind wir in vielen Bereichen tatsächlich auf einem guten Weg – zum Beispiel weist die E-Mobilität im Vergleich zum Verbrenner einen viel höheren Wirkungsgrad auf, genauso ist es im Heizungssektor mit der Wärmepumpe. Diesen Weg gilt es weiterzugehen.
Becker: Neben einer Verringerung des CO2-Ausstoßes finde ich vor allem die Frage interessant: Was können wir tun, um bestehendes CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen? Biomasse ist in der Lage, CO2 zu speichern – und dieses kann bei der Nutzung aufgefangen und verflüssigt werden, etwa für die Getränkeherstellung oder andere Industrieprozesse. CO2 kann auch in Kavernen oder tieferen Bodenschichten gespeichert werden - allerdings bin ich da skeptisch, was die Stabilität angeht. Es gibt zudem Technologien, mit denen man Kohlenstoff- und Sauerstoffatome voneinander trennen kann. Der reine Kohlenstoff kann dann unter anderem für Beton oder Dünger verwendet werden.
Scheurer: Einen Ansatz sehe ich auch darin, bestehende Anlagen zu modernisieren. Neue Windanlagen etwa sind oft viel leistungsstärker und effizienter als ältere Modelle. Insgesamt ist bei diesem Thema Innovationskraft gefragt. Die Unternehmen der Branche müssen forschen und sich auf neue Ideen einlassen. Der Erfindergeist in Deutschland und speziell Baden-Württemberg stimmt mich da jedoch positiv – und ich sehe auch viel Potenzial für neue Geschäftsmodelle.
Apropos Innovationskraft: An welchen Technologien wird im Bereich erneuerbare Energien derzeit besonders intensiv geforscht, und welche Trends erwarten Sie für die Zukunft?
Becker: PlanET beschäftigt sich zum Beispiel verstärkt mit der Sektorenkopplung. Dabei geht es darum, die einzelnen Teilbereiche Strom, Wärme und Mobilität intelligent miteinander zu verknüpfen, um die erzeugte Energie möglichst effizient zu nutzen. Speichermöglichkeiten spielen dabei eine zentrale Rolle, damit wir unseren Bedarf auch in energieärmeren Zeiten wie etwa im Winter decken können.
Kulke: In der Elektromobilität gilt das bidirektionale Laden als vielversprechende Entwicklung. Die Idee dahinter ist, dass die Autobatterie nicht nur das Fahrzeug selbst, sondern auch andere Verbraucher mit Strom versorgen kann. In der Praxis könnte das dann so aussehen, dass das Auto tagsüber mit Solarenergie geladen wird und nachts die Wärmepumpe im Haus betreibt, wodurch sich ein großes Einsparpotenzial ergibt. Das Problem ist, dass es noch keine einheitlichen Normen und Vorschriften für bidirektionales Laden gibt, daher ist das Risiko für Hersteller noch sehr hoch. Zudem ist die Technologie preislich bislang nicht attraktiv genug.
Schenk: Ich rechne damit, dass sich bei den Batterien für E-Fahrzeuge noch einiges tun wird. Diese werden in Zukunft leichter und günstiger sein und eine höhere Reichweite ermöglichen. Denkbar sind aber auch alternative Technologien wie eine Kombination aus Brennstoffzelle und Batterie.
Gökdogan: In der Photovoltaik ist die sogenannte Agri-PV einer der dominanten Trends, also die gleichzeitige Nutzung von Flächen für die Landwirtschaft und zur Energieerzeugung mit Solarpanelen. Dafür gibt es bereits verschiedene Technologien, sowohl zur vertikalen Aufstellung als auch zur horizontalen Überdachung, teilweise mit transparenten PV-Modulen. Studien zeigen, dass damit in einigen Fällen sogar ein höherer Ertrag möglich ist. Auch Floating-PV-Anlagen, die auf dem Wasser schwimmen, sind immer mehr im Kommen. Dafür bringen wir in diesem Jahr eine spezielle Solarleitung auf den Markt, die über die nötigen Zertifizierungen für diesen Einsatzzweck verfügt.
Scheurer: Für mich ist die Geothermie eine tolle und zukunftsträchtige Möglichkeit, um Strom und Wärme zu erzeugen. Allerdings gibt es hier häufig Probleme mit der öffentlichen Akzeptanz, auch weil bestimmte Interessensgruppen gezielt dagegen Stimmung machen. In Gewässernähe bietet sich zudem die Nutzung von Flusswärme mit Hilfe von Großwärmepumpen an. Diese könnten gleichzeitig in den Sommermonaten für etwas dringend benötigte Kühlung sorgen. Generell halte ich es für sinnvoll, die Themen Energieerzeugung und Umweltschutz stärker zusammenbringen und auch die Gesellschaft besser zu informieren, um die Akzeptanz für solche Projekte zu erhöhen.
Auch Wasserstoff bietet verschiedene Anwendungsmöglichkeiten in der Energie- und Wärmeerzeugung sowie der Mobilität. Welches Potenzial sehen Sie hier?
Kulke: Wasserstoff wird eine wichtige Rolle für die Energiewende spielen. Überschüssiger Strom aus erneuerbaren Quellen kann in einer Elektrolyse zu Wasserstoff umgewandelt werden. Dieser kann dann gelagert, verteilt und dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden. Wird er dann mit einer Brennstoffzelle wieder in elektrische Energie umgewandelt, bleibt der gesamte Kreislauf CO2-neutral. Allerdings gehen bei jedem Umwandlungsprozess rund 40 Prozent der Energie verloren. Deshalb ist der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle meiner Meinung nach auch zu gering, um im PKW-Bereich eine Alternative zum Elektromotor darzustellen. Bei anderen Anwendungen wie in LKW, Bau- oder Landmaschinen kann sich der Einsatz von Wasserstoff jedoch lohnen. Auch für die Gewinnung von Prozesswärme für industrielle Zwecke, etwa in der Stahl- und Zementbranche, halte ich Wasserstoff für sehr vielversprechend.
Scheurer: So sehe ich das auch. Wasserstoff als Wärmeträger für Privatkunden oder im PKW-Bereich ist für mich utopisch. Deshalb halte ich es auch nicht für sinnvoll, dass Gasheizungen H2-ready sein müssen. Wasserstoff ist eher für den Einsatz in der Großindustrie sowie als Möglichkeit zur Speicherung überschüssiger Wind- und Solarenergie geeignet.
Neben dem Klimawandel haben in den vergangenen beiden Jahren auch geopolitische Unsicherheiten die Energiewende ins öffentliche Interesse gerückt. Führt inzwischen auch aus wirtschaftlicher Sicht kein Weg mehr an den Erneuerbaren vorbei?
Becker: So ist es. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat bei vielen Unternehmen ein Umdenken bewirkt, dass fossile Energie nicht zwangsläufig immer günstig verfügbar ist. Erneuerbare Energien werden als langfristig sichere Alternative immer attraktiver und damit auch zum Wirtschafts- und Standortfaktor.
Scheurer: Wenn die Strompreise steigen, werden Investitionen in erneuerbare Energien nicht nur wegen des Klimaschutzes, sondern vor allem aus wirtschaftlichen Gründen interessant. Ich kenne mehrere Fälle von Unternehmen, die sich für einen Standorte nur deshalb entschieden haben, weil dort eine erneuerbare Energieversorgung vorhanden ist.
Wissing: Wir alle brauchen die erneuerbaren Energien unbedingt – wegen des Klimawandels, aber auch, um unabhängig von ausländischen Lieferanten zu sein. Wind und Sonne bieten dafür das größte Potenzial und müssen ausgewogen sowie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen installiert werden. Andere Energieträger wie Biomasse und Wasserkraft kommen dazu, damit ein ausfallsicherer und jederzeit nutzbarer Energiemix entstehen kann. Dieser Ausbau muss möglichst dezentral erfolgen, und wir brauchen dafür deutschlandweit einheitliche Rahmenbedingungen.
Zu den Personen
Hendrik Becker ist Gesellschafter der PlanET Biogas Group und Vorsitzender im Regionalverband Münsterland des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW. Er war außerdem lange Zeit im Vorstand des Bundesverbands Erneuerbare Energien und Vizepräsident des Fachverbands Biogas.
Ali Gökdogan ist Global Segment Manager Photovoltaik bei HELUKABEL und seit 6 Jahren im Unternehmen. Zuvor war er bereits in anderen Positionen in der Solarbranche tätig.
Andreas Kulke ist Geschäftsführer und Gründer der alcona Automation GmbH. Das Unternehmen war erst auf Steuerungssysteme für die Landwirtschaft spezialisiert, bietet inzwischen aber auch Wallboxen und andere Infrastruktur für die E-Mobilität sowie Batteriespeicher für den privaten und gewerblichen Bereich an.
Uwe Schenk ist seit 1998 bei HELUKABEL beschäftigt. Als Global Segment Manager sind seine Kernthemen die Windkraft und die E-Mobilität.
Jürgen Scheurer ist Geschäftsführer der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg. Der Branchenverband pflegt Kontakte zu den Ministerien im Land, organisiert Fachveranstaltungen und vertritt die Interessen seiner Mitgliedsunternehmen.
Anton Wissing ist bereits 25 Jahren Windenergiebetreiber und war an der Entwicklung mehrerer Bürgerwindparks beteiligt. Vor 20 Jahren gründete er zudem das Unternehmen B&W Energy, das auf die Projektierung von Photovoltaik-Anlagen spezialisiert ist.
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